Internationales Übereinkommen zur
einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über die
vorsorgliche Beschlagnahme von Seeschiffen.
Abgeschlossen
in Brüssel am 10. Mai 1952
Art. 1
Art.
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Die Hohen vertragschliessenden Parteien
haben in Erkenntnis der Notwendigkeit einheitlicher
Rechtsregeln über die vorsorgliche Beschlagnahme von
Seeschiffen beschlossen, ein Übereinkommen abzuschliessen und
zu diesem Zwecke vereinbart:
Art. 1
In diesem Übereinkommen werden die folgenden Worte in dem
nachstehend angegebenen Sinne verwendet:
1. «Maritime Forderung» bezeichnet einen Anspruch
oder eine Forderung, welche aus einem oder mehreren der nachstehend
aufgeführten Rechtsgründe entstanden sind:
- a. Schäden, die von einem Seeschiff durch
Schiffszusammenstoss oder auf andere Weise verursacht worden sind;
- b. Verlust von menschlichem Leben oder
Körperverletzung, verursacht durch ein Seeschiff oder aus dem
Betriebe eines Seeschiffes herrührend;
- c. Hilfeleistung und Bergung;
- d. Verträge über die Verwendung
oder Vermietung eines Seeschiffes mittels einer Chartepartie oder auf
andere Weise;
- e. Verträge über die
Beförderung von Gütern mit einem Seeschiff nach
Massgabe einer Chartepartie, eines Konnossementes oder auf andere Weise;
- f. Verlust oder Beschädigung von mit
einem Seeschiff beförderten Gütern oder
Reisegepäck;
- g. Havarie-Grosse;
- h. Bodmerei;
- i. Schleppfahrt;
- j. Lotsendienst;
- k. Lieferung von Waren oder Material für
den Betrieb oder Unterhalt eines Seeschiffes, gleichgültig an
welchem Ort die Lieferung erfolgt ist;
- l. Bau, Reparatur oder Ausrüstung und
Bemannung eines Seeschiffes sowie Werftkosten;
- m. Löhne und Heuer der Kapitäne,
Schiffsoffiziere und Schiffsmannschaften;
- n. Auslagen des Kapitäns, der Ablader,
Befrachter oder Agenten für Rechnung des Seeschiffes oder des
Schiffseigentümers;
- o. Eigentum an einem Seeschiff;
- p. Gemeinschaftliches Eigentum an einem Seeschiff,
Betrieb, Besitz oder Nutzungsrechte an einem Seeschiff in
gemeinschaftlichem Eigentum;
- q. Schiffshypotheken oder
Sicherheitsübereignung eines Seeschiffes.
2. «Beschlagnahme» bedeutet jede Verarrestierung
eines Seeschiffes mit Bewilligung einer zuständigen
gerichtlichen Behörde zur Sicherung einer maritimen Forderung,
bedeutet aber nicht Beschlagnahme oder Pfändung eines
Seeschiffes für die Vollziehung eines vollstreckbaren
Forderungstitels.
3. «Person» umfasst jede
natürliche oder juristische Person, Personengesellschaft oder
Kapitalgesellschaft, sowie die Staaten, Verwaltungen und
öffentlich-rechtlichen Anstalten.
- 4. Das Wort «Kläger»
bezeichnet jede Person, die zu ihren Gunsten den Bestand einer
maritimen Forderung geltend macht.
Art. 2
Ein Seeschiff, das die Flagge eines der Vertragsstaaten führt,
kann im Gebiete eines andern Vertragsstaates nur für eine
maritime Forderung vorsorglich beschlagnahmt werden, doch haben keine
Bestimmungen dieses Übereinkommens die Bedeutung, dass die
Rechte und Befugnisse eines Staates, einer öffentlichen oder
Hafenbehörde, nach Massgabe des eigenen Landesrechtes ein
Seeschiff zu beschlagnahmen, festzuhalten oder an der Ausfahrt
innerhalb ihres Hoheitsgebietes zu verhindern, eingeschränkt
oder ausgedehnt werden.
Art.
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Ein Seeschiff, das die Flagge eines der Vertragsstaaten führt,
kann im Gebiete eines andern Vertragsstaates nur für eine
maritime Forderung vorsorglich beschlagnahmt werden, doch haben keine
Bestimmungen dieses Übereinkommens die Bedeutung, dass die
Rechte und Befugnisse eines Staates, einer öffentlichen oder
Hafenbehörde, nach Massgabe des eigenen Landesrechtes ein
Seeschiff zu beschlagnahmen, festzuhalten oder an der Ausfahrt
innerhalb ihres Hoheitsgebietes zu verhindern, eingeschränkt
oder ausgedehnt werden.
Art.
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Ein Seeschiff, das die Flagge eines der Vertragsstaaten führt,
kann im Gebiete eines andern Vertragsstaates nur für eine
maritime Forderung vorsorglich beschlagnahmt werden, doch haben keine
Bestimmungen dieses Übereinkommens die Bedeutung, dass die
Rechte und Befugnisse eines Staates, einer öffentlichen oder
Hafenbehörde, nach Massgabe des eigenen Landesrechtes ein
Seeschiff zu beschlagnahmen, festzuhalten oder an der Ausfahrt
innerhalb ihres Hoheitsgebietes zu verhindern, eingeschränkt
oder ausgedehnt werden.
Art.
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Das Gericht oder jede andere zuständige gerichtliche
Behörde, in deren Zuständigkeitsgebiet ein Seeschiff
beschlagnahmt worden ist, hat die Aufhebung der Beschlagnahme zu
verfügen, wenn eine hinreichende Kaution oder Sicherheit
geleistet worden ist, ausser im Falle einer Beschlagnahme für
einen maritimen Anspruch gemäss den Buchstaben o und p des
Artikels 1; in diesen Fällen kann der Richter den Betrieb des
Seeschiffes durch den Besitzer gestatten, wenn letzterer die
erforderlichen Sicherheiten geleistet hat, oder er kann andere
Massnahmen für den Betrieb des Seeschiffes während
der Dauer der Beschlagnahme treffen.
Können sich die Parteien über die
Kaution oder Sicherheitsleistung nicht einigen, so bestimmt das Gericht
oder die zuständige gerichtliche Behörde deren Art
und Höhe.
Das Begehren um Aufhebung der Beschlagnahme mittels
einer solchen Sicherheitsleistung gilt weder als Anerkennung der
Haftung noch als Verzicht auf die Rechtswohltat der
beschränkten Haftung des Schiffseigentümers.
Art.
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1. Alle Streitigkeiten über die Verantwortlichkeit des
Klägers für Schäden, die durch die
Beschlagnahme verursacht werden, oder für die Kosten der
Kaution oder Sicherheitsleistung im Hinblick auf die Aufhebung oder
Abwendung der Beschlagnahme, werden nach dem Rechte desjenigen
Vertragsstaates beurteilt, in dessen Gebiet die Beschlagnahme
durchgeführt oder anbegehrt worden ist.
Das Verfahren der Beschlagnahme eines Seeschiffes, der
richterlichen Bewilligung gemäss Artikel 4, sowie alle
übrigen Verfahrensfragen, die eine Beschlagnahme mit sich
bringen kann, werden vom Recht desjenigen Vertragsstaates geregelt, in
dessen Gebiet die Beschlagnahme durchgeführt oder anbegehrt
worden ist.
Art.
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1. Die Gerichte desjenigen Staates, in dem die Beschlagnahme
durchgeführt worden ist, sind zuständig,
über den materiellen Rechtsanspruch zu entscheiden:
- – entweder, wenn diese Gerichte nach
Massgabe des Landesrechtes des Staates, in welchem die Beschlagnahme
durchgeführt worden ist, zuständig sind;
- – oder in den folgenden Fällen:
- a. wenn der Kläger seinen Wohnsitz oder
seine geschäftliche Hauptniederlassung in dem Staate, in
welchem die Beschlagnahme durchgeführt wurde, hat;
- b. wenn die maritime Forderung selber in
demjenigen Staate entstanden ist, in welchem die Beschlagnahme
durchgeführt wurde;
- c. wenn die maritime Forderung während
der Reise, während welcher das Seeschiff beschlagnahmt wurde,
entstanden ist;
- d. wenn die Forderung aus einem
Schiffszusammenstoss oder aus Umständen gemäss
Artikel 13 des Internationalen Abkommens zur einheitlichen Feststellung
einzelner Regeln über den Zusammenstoss von Schiffen, am 23.
September 1910 in Brüssel unterzeichnet, entstand;
- e. wenn die Forderung aus Hilfeleistung oder
Bergung entstand;
- f. wenn die Forderung durch eine Schiffshypothek
an dem beschlagnahmten Schiffe oder eine
Sicherheitsübereignung sichergestellt ist.
2. Ist das Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich das
Seeschiff beschlagnahmt wurde, für die Beurteilung des
materiellen Rechtsanspruches nicht zuständig, so muss die
Kaution oder Sicherheit, welche gemäss Artikel 5 für
die Aufhebung der Beschlagnahme geleistet worden ist, für die
Vollstreckung aller Urteile genügen, die von einem
für die Beurteilung des materiellen Rechtsanspruches
zuständigen Gerichte gefällt werden können,
und das Gericht oder die zuständige gerichtliche
Behörde des Ortes der Beschlagnahme hat eine Prosekutionsfrist
zu bestimmen, binnen welcher der Kläger beim
zuständigen Gericht die Klage einzureichen hat.
3. Haben die Parteien zugunsten eines anderen Gerichtes
kompromittiert oder eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen, so hat
das Gericht oder die zuständige gerichtliche Behörde
eine Frist anzusetzen, binnen welcher der Kläger seine Klage
einzureichen hat.
4. Wird in den beiden Fällen der vorstehenden
Absätze die Klage nicht innert der angesetzten Frist
eingereicht, so kann der Beklagte die Aufhebung der Beschlagnahme oder
die Freigabe der geleisteten Kaution oder Sicherheit verlangen.
5. Dieser Artikel findet keine Anwendung auf
Fälle, welche in der Revidierten Rheinschiffahrtsakte von 17.
Oktober 18682 geregelt sind.
Art.
8
1. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens finden in jedem
Vertragsstaate für ein Seeschiff, das die Flagge eines
Vertragsstaates führt, Anwendung.
2. Ein Seeschiff, das die Flagge eines
Nichtvertragsstaates führt, kann in einem Vertragsstaate
für eine der in Artikel 1 angeführten Forderungen
sowie für jede andere Forderung, für welche das
Landesrecht dieses Staates die Beschlagnahme zulässt,
beschlagnahmt werden.
3. Dieses Übereinkommen lässt das
Recht jedes Vertragsstaates unberührt, ganz oder teilweise von
der Anwendung dieses Übereinkommens gegenüber
Nichtvertragsstaaten oder Personen, welche, am Tage der Beschlagnahme,
weder Wohnsitz noch ihre geschäftliche Hauptniederlassung in
einem Vertragsstaate hatten, abzusehen.
4. Keine Vorschrift dieses Übereinkommens
berührt oder ändert die Bestimmungen des
Landesrechtes eines Vertragsstaates bezüglich der
Beschlagnahme eines Seeschiffes innerhalb des eigenen Staatsgebietes,
dessen Flagge das Seeschiff führt, zugunsten einer Person, die
ihren Wohnsitz oder ihre geschäftliche Hauptniederlassung in
demselben Staate hat.
5. Wird eine maritime Forderung von einem Dritten, der
nicht der ursprüngliche Kläger ist, geltend gemacht,
sei es infolge Subrogation, Zession oder auf andere Weise, so wird
dieser Dritte für die Anwendung dieses Übereinkommens
gehalten, wie wenn er seinen Wohnsitz oder seine geschäftliche
Hauptniederlassung an demselben Orte, wie der ursprüngliche
Kläger hätte.
Art.
9
Keine Bestimmung dieses Übereinkommens hat die Bedeutung, dass
sie irgendein Klagerecht gewähren würde das,
abgesehen von den Bestimmungen dieses Übereinkommens, nach dem
Recht, welches das zuständige Gericht anwendet, nicht besteht.
Dieses Übereinkommen verschafft dem
Kläger ein Verfolgungsrecht nur soweit ein solches nach
Massgabe des Rechts, welches das zuständige Gericht anwendet,
oder nach Massgabe des Internationalen Übereinkommens
über die seerechtlichen Privilegien und Hypotheken an
Seeschiffen besteht.
Art.
10
Die Hohen vertragschliessenden Parteien können im Zeitpunkt
der Hinterlegung ihrer Ratifikationsurkunden oder ihres Beitritts zu
diesem Übereinkommen folgende Vorbehalte anbringen:
- a. dass sie die Bestimmungen dieses
Übereinkommens für die Beschlagnahme für
eine maritime Forderung gemäss Buchstabe o und p des Artikels
1 nicht anwenden, sondern für eine solche Beschlagnahme ihr
Landesrecht anwenden;
- b. dass sie die Bestimmungen des ersten Absatzes des
Artikels 3 auf eine in ihrem Gebiete durchgeführte
Beschlagnahme für Forderungen gemäss Buchstabe q des
Artikels 1 nicht anwenden.
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Art. 11
Die Hohen vertragschliessenden Parteien unterwerfen sich für
alle Streitigkeiten zwischen zwei Staaten bezüglich der
Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens einem
Schiedsgericht, vorbehältlich ihrer Verpflichtung,
allfällige Streitigkeiten dem Internationalen Gerichtshofe zu
unterbreiten.
Art.
12
Dieses Übereinkommen steht allen Staaten, welche an der
neunten Diplomatischen Seerechtskonferenz vertreten waren, zur
Unterzeichnung offen. Das Unterzeichnungsprotokoll wird vom belgischen
Aussenministerium erstellt.
Art.
13
Dieses Übereinkommen ist zu ratifizieren und die
Ratifikationsurkunden sind beim belgischen Aussenministerium zu
hinterlegen, das den übrigen Staaten, welche das
Übereinkommen ratifiziert haben oder ihm beigetreten sind,
Anzeige erstattet.
Art.
14
a. Dieses Übereinkommen tritt zwischen den ersten beiden
Staaten, welche es ratifiziert haben, nach Ablauf von sechs Monaten
seit der Hinterlegung der zweiten Ratifikationsurkunde in Kraft.
b. Für alle weiteren Staaten, welche das
Übereinkommen alsdann ratifizieren, tritt es nach sechs
Monaten seit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft.
Art.
15
Jeder Staat, der an der neunten Diplomatischen Seerechtskonferenz nicht
vertreten war, kann diesem Übereinkommen beitreten.
Die Beitrittsurkunden sind dem belgischen
Aussenministerium zu übersenden, das hievon auf diplomatischem
Wege denjenigen Staaten, welche das Übereinkommen
unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, Kenntnis gibt.
Das Übereinkommen tritt für den neu
beitretenden Staat sechs Monate nach Eingang der
Beitrittserklärung beim belgischen Aussenministerium in Kraft,
in keinem Falle aber vor dem Tag des Inkrafttretens gemäss
Artikel 14, Buchstabe a.
Art.
16
Jede der Hohen vertragschliessenden Parteien ist befugt, drei Jahre
nach dem für sie erfolgten Inkrafttreten des
Übereinkommens, den Zusammentritt einer neuen Konferenz zu
veranlassen, um allfällige Änderungen
herbeizuführen.
Will ein Staat von dieser Befugnis Gebrauch machen, so
hat er seine Absicht der belgischen Regierung bekanntzugeben, welche es
übernehmen wird, eine neue Konferenz innert sechs Monaten
einzuberufen.
Art.
17
Jede der Hohen vertragschliessenden Parteien kann das
Übereinkommen jederzeit seit dem für sie erfolgten
Inkrafttreten künden, jedoch wird die Kündigung erst
nach Ablauf eines Jahres, seit Eingang der
Kündigungserklärung bei der belgischen Regierung,
wirksam. Die belgische Regierung wird die übrigen
Vertragsstaaten auf diplomatischem Wege benachrichtigen.
Art.
18
a. Jede der Hohen vertragschliessenden Parteien kann im Zeitpunkt der
Ratifikation oder ihres Beitritts, sowie in jedem späteren
Zeitpunkt, der belgischen Regierung schriftlich die Erklärung
abgeben, dass dieses Übereinkommen auch für
Territorien oder Teile hievon, welche unter ihrer Staatshoheit stehen,
Geltung haben soll. Das Übereinkommen tritt für diese
Territorien nach sechs Monaten seit Eingang dieser schriftlichen
Erklärung beim belgischen Aussenministerium in Kraft, in
keinem Falle aber vor dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens
für den Vertragsstaat selber.
b. Jede der Hohen vertragschliessenden Parteien, welche
eine schriftliche Erklärung gemäss Buchstabe a dieses
Artikels unterzeichnet hat, kann jederzeit dem belgischen
Aussenministerium mitteilen, dass das Übereinkommen
für das betreffende Territorium keine Anwendung mehr findet.
Diese Kündigung wird nach Ablauf der in Artikel 17
vorgesehenen Frist von einem Jahr wirksam.
c. Das belgische Aussenministerium gibt allen Staaten,
welche das Übereinkommen unterzeichnet haben oder ihm
beigetreten sind, von den nach Massgabe dieses Artikels eingegangenen
Erklärungen auf diplomatischem Wege Kenntnis.
Ausgefertigt in Brüssel, am 10. Mai 1952, in
französischer und englischer Sprache; der
französische und der englische Wortlaut dieses
Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.
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